von Michael Krennerich
Als Kind habe ich immer Menschen bewundert, die mit den Ohren wackeln konnten. Mir wollte dies einfach nicht gelingen. Außer heftigem Stirnwackeln war nichts zu holen. Hingegen beherrsche ich bestens das Stirnrunzeln, das mir bereits in meiner Jugend eine tiefe Stirnfalte mitten ins Gesicht geschrieben hat. In meinem Fall ist es aber kein Ausdruck des Missfallens, sondern schlicht des Nachdenkens. Viele Studierende habe ich bei Ihren Referaten so verunsichert und vermutlich auch so manche Kolleg:innen verprellt, die ich stirnrunzelnd irritierte. „Ich denke nur!“, möchte ich diesen zurufen. Kann man aber auch nicht immer bringen. Solche Zurufe können ja, zumal häufig wiederholt, auch etwas verstörend wirken, selbst oder gerade im akademischen Kontext. Ansonsten aber ist mein Mienenspiel karg und auch meine Gesten sind wenig ausladend. Immer öfter schlage ich jedoch die Hände vors Gesicht, angesichts der Dummheit der Menschheit, mich leider inbegriffen.
Ganz anders Hanna, bei der Mimik und Gestik ein vielsagendes Gesamtbild abgeben. Lacht Hanna, dann lacht sie über beide Ohren (ohne damit zu wackeln). Tanzt sie, dann steht ihr die Leidenschaft ins Gesicht geschrieben. Und begeistert sie sich, merkt man dies, so versichere ich Ihnen, auch. Zur wahren Perfektion hat sie jedoch das Verdrehen der Augen gebracht. Es ist wahrlich nicht nur eine Redensart, sondern alltägliche Praxis meiner Hanna. Obwohl, strenggenommen, verdreht Hanna die Augen gar nicht, sondern richtet den Blick vielsagend nach oben, gen Himmel, als ob von dort Hilfe zu erwarten wäre. „Mein Gott, was soll das?“, bedeutet das, oder: „Was macht er jetzt schon wieder?“. Wird das Ganze noch unterlegt mit einem leisen, aber hart gezischten „Ja, sicher!“, dann weiß man, dass man etwas gesagt hat, was klar wie Kloßbrühe ist und wahrlich keiner langwierigen Ausführungen bedarf.
Zugleich liefert Hanna den Beweis dafür, dass Mimik und Gestik sich mit der Sprache verändern. Wenn sie auf Spanisch loslegt, dann gibt es kein Halten mehr. Ein Mienen- und Gebärdenspiel sondergleichen unterstreicht die dramatische Erzählung. Und wenn es ihr gerade in den Sinn kommt, gibt es noch einige Flamenco-Schritte obendrein. Ich selbst suche noch eine Sprache, die meinen skeptischen Gesichtszügen und meinem menschenfeindlichen Wesen entspricht. So richtig fündig bin ich noch nicht geworden. Spricht jemand griesgrämisch außer Oscar the Grouch? Dann bitte bei mir melden! Und wenn Sie auch noch mit den Ohren wackeln können, dann umso besser.
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