Autorenfoto

von Michael Krennerich

Heute geht es um Fotos, um Autorenfotos, genau genommen. Viele Verlage halten es für eine gute Idee, damit die Rückseite des Einbandes zu schmücken. Ich persönlich bin mir da nicht so sicher. In vielen Fällen scheint es mir doch eher kontraproduktiv zu sein. Geht es Ihnen nicht auch so? Sie nehmen im Buchladen einen Roman mit einem vielversprechenden Titel in die Hand, wenden es und blicken in ein Gesicht, das vor Selbstverliebtheit nur so strotzt. Am schlimmsten sind die Posen der Nachdenklichkeit. Da hat man doch keine Lust mehr, das Buch zu kaufen, geschweige denn es zu lesen. Nicht besser sind wissenschaftliche Bücher, auf deren Rücken einen wahlweise ein Kreissparkassengesicht oder eitle Selbstbewunderer anschauen. Auch auf Vortragsplakaten wimmelt es nur so von Egomanen.

Nun veröffentliche ich hin und wieder auch etwas oder halte auch mal einen Vortrag. Meist ist es unbedeutendes wissenschaftliches Zeug, das kein Mensch liest oder hören will. Das hindert aber die Verlage und Veranstalter nicht, nach einem Foto zu fragen. Für gewöhnlich wähle ich immer die gleiche Fotografie aus, eine, die mich mit Mikrofon auf einem Stuhl sitzend zeigt, wie ich einem unsichtbaren Publikum die Welt erkläre. Mansplanining at its best. Das Foto strahlt weltmännische Kompetenz und Gelassenheit aus und ist auch ästethisch mehr als gelungen.

„Schön“, antwortete mir die Pressestelle eines Veranstalters, die mich vor einiger Zeit zwecks Vortragsankündigung nach einem Foto gefragt hatte. „Na, ja“, antwortete ich leicht geschmeichelt und doch kokett. Den nächsten Tag erhielt ich jedoch überraschend ein Mail. Darin stand, dass sich die Pressemitarbeiterin leider getäuscht hätte. Bei dieser Art von Veranstaltung würden gar keine Fotos abgedruckt. „Umso besser“, antwortete ich nur, nun doch etwas gekränkt. Aus Trotz bearbeite ich seitdem meine Autoren- und Veranstaltungsfotos immer mit einem speziellen Bildbearbeitungsprogramm – und zwar zu meinen Ungunsten. In Wirklichkeit habe ich nämlich gar keine eng beieinander stehenden Augen, keine große Nase und auch keine Pausbacken. In Wirklichkeit bin ich eher so der Robert-Redford-Typ. Hätte mich Hanna sonst geheiratet? Kaufen Sie also getrost meine Bücher und besuchen Sie meine Vorträge. Selbst, wenn Sie nichts verstehen, eine Augenweide ist es allemal.

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