von Michael Krennerich
„Weißt Du, woran man erkennt, dass man alt ist?“, fragte mich Hanna kürzlich mit breitem Grinsen. „Nein, sag!“ antwortete ich neugierig. „Daran, dass man beim Internetkauf sehr weit nach unten scrollen muss, um das Geburtsjahr einzutragen. So weit, dass man schon wieder vergessen hat, was man eigentlich kaufen wollte.“ Ich musste wirklich lachen. „Ist der von Dir?“, erkundigte ich mich nicht ohne Hintergedanken. „Nein, den habe ich kürzlich online gelesen.“ Mist, dachte ich mir, und bedauerte, dass ich Hanna die Pointe nicht einfach stibitzen konnte. Umgehend legte ich mich in die Hängematte und fing an zu grübeln: Woran merkt man, dass man alt ist – ganz unabhängig von den Falten und dem körperlichen Zerfall?
Am ehesten wohl an technischen Geräten, die heute keiner mehr nutzt. Doch ist es allzu billig, sich über Dia-Projektoren, Mikrofiche-Suche, Uraltcomputer, Walkmans und die Zeit vor dem Internet auszulassen. Faxe und Trockenhauben sind, man glaubt es kaum, ohnehin noch in Betrieb. Selbst unförmige Dampfbügelmaschinen gibt es noch, mit denen unsere Mütter an langen Fernsehabenden Tischdecken und Bettwäsche glätteten. All jene, die beim Zusammenfalten helfen mussten, werden sich noch gut daran erinnern.
Nun könnte man die verfallende Moral beklagen. Das passt eigentlich immer. Wenn man allerdings an die Herrenwitze denkt, welche die Generation unserer Väter so zum Besten gab, dann kommen einem nicht nur erste, sondern auch ernste Zweifel, ob man Moral und Sitten bemühen will. Dann schon lieber vergessene Backkunst, namentlich den Pitsche-Kuchen meiner Oma Gretel, den sie sonntäglich auf der karierten Wachstuchdecke ihres Küchentischs abstellte. Ein großes Blech voller Hefekuchen, auf dem sich Pfützen aus Rahm gebildet hatten und der reichlich mit Zimt und Zucker bestreut war. Daneben Gretel, die sich die Hände an der Küchenschürze abrieb und darüber wachte, dass ja nichts übrigblieb. Wenn ich mich daran erinnere, merke ich, wie die Zeit vergangen ist und wie alt ich geworden bin. Gut, und vielleicht noch an der Werbung für Kreuzfahrten und Treppenlifte, die mir – nach Eingabe meines Geburtsjahrs beim Internet-Kauf – durch nette Algorithmen zugespielt wird.