John und die Bundeswehr

von Michael Krennerich

Dass es um unsere Bundeswehr schlecht bestellt ist, ist allgemein bekannt. Viele, offenbar nicht allzu verschwiegene Geheimnisträger*innen haben ausgeplaudert, dass unsere Haubitzen nicht schießen, unsere Panzer nicht fahren, unsere Kampfflugzeuge nicht fliegen und unsere Marine nicht seetüchtig ist. Außerdem fehlt es an Munition. Das sind nicht nur erfreuliche Nachrichten für Pazifist*innen, sondern auch für fremde, feindliche Mächte, denn sie sparen sich viel Geld bei ihrer lästigen Geheimdienstarbeit. Fraglich ist, ob sich der Zustand mit 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ ändern wird. Die deutsche Rüstungsfirmen freuen sich schon darauf, der Bundeswehr zu überteuerten Preisen hoch technologisierten Schrott anzudrehen. Noch fraglicher ist allerdings, ob die Wehrkraft unserer Streitkräfte dadurch nachhaltig gestärkt wird, dass sie John auf Honorarbasis anstellt. Just dies ist aber geschehen.

Seit kurzem ist John, mein schottischer Freund aus Rugby-Zeiten, einer von vielen Protagonisten, die gelegentlich in Kasernen in militärischen Rollenspielen irgendwelche Feinde mimen, die uns böse gesinnt sind. So musste John jüngst beispielsweise einen Islamisten spielen, der Einlass in ein Bundeswehrlager begehrte, so dass die jungen Soldat*innen bereits hierzulande lernten, wie ein Lagereingang in fernen Ländern zu sichern wäre. Damit die Situation authentisch wirkte, waren die Laienschauspieler angehalten, in landesüblicher Kluft anzutreten. Man kann sich vorstellen, dass hier vielleicht nicht den Ankömmlingen, aber doch vielen Klischees und Vorurteilen Tür und Tor geöffnet wurde. Menschen, die sich um anti-rassistische Bildung bemühen, hätten Schnappatmung bekommen, wären sie bei der Posse dabei gewesen. John warf sich auf alle Fälle eine Tischdecke über, in die er fachmännisch ein Loch geschnitten hatte, um wie ein echter Islamist zu wirken, was von seinen Vorgesetzten gewiss gebührend honoriert wurde. Dass er nicht die geforderte Landessprache sprach, fiel nicht ins Gewicht, denn die jungen Rekrut*innen verstanden ohnehin kein Wort seines Englischen mit schottischem Akzent.

Nun gönne ich John und all den anderen angeworbenen Mimen ihr Honorar, doch ein wenig bange ist mir um die Wehrfähigkeit unserer Truppe – und auch um die Schotten in unserem Land, die im Ernstfall möglicherweise für Terroristen gehalten werden. Daher ein Rat an alle Schotten: Sprecht deutlich und lauft nicht in Tischdecken gehüllt durch die Gegend.

Zurück zur Glossen-Übersicht „Ungewöhnliche Begegnungen“