Schwedenrätsel

von Michael Krennerich

Es gibt viele Möglichkeiten, Zeit zu vergeuden. Eine davon ist das Lösen von Kreuzworträtseln. Auch ich gehe hin und wieder diesem altmodischen Zeitvertreib nach. Am liebsten sind mir „Schwedenrätsel“, hoffend, dass meine Vorliebe keine kulturelle Aneignung darstellt. Nun kenne ich zwar keine Schweden persönlich, doch bin ich mir sicher, dass diese in ihrer Freizeit ohnehin Besseres zu tun haben, als Rätsel zu erfinden oder zu lösen.

Politisch korrekt geht es in Rätselheften dennoch nicht immer zu. Bei vielen Rätselmacher*innen (Ist das eigentlich ein anerkannter Beruf und heißt er so?) scheinen sich die sprachlichen Feinheiten der politischen Korrektheit noch nicht herumgesprochen zu haben. Da wimmelt es nur so von „Indios“, „Eskimos“ und anderen überholten Lösungsbegriffen, die in Kästchen einzutragen sind. So aufgeklärte Menschen wie ich benötigen daher eine gewisse Fingerfertigkeit, um die korrekten Begriffe wie „Indigene“ und „Inuit“ in viel zu kleine Kästchen zu zwängen oder großzügig über mehrere Kästchen zu verteilen. Diese eingübte Technik wende ich übrigens auch an, wenn die richtigen Lösungen nicht mit der vorgesehenen Buchstabenzahl übereinstimmen. Es ist schon ärgerlich, wie oft sich die – bleiben wir bei dem Begriff – Rätselmacher*innen verzählen.

Nun versteht es sich von selbst, dass Hanna meinem Zeitvertreib nichts abgewinnen kann. Ungläubig schüttelt sie den Kopf, wenn ich abends im Ehebett noch rasch ein Rätsel löse. „Wie spießig ist das denn?“, fragt sie und ich glaube, einen leicht kritischen Unterton herauszuhören. Dann erkläre ich ihr, dass das Ausfüllen der Kästchen auf mich eine beruhigende Wirkung hat und zugleich die Sprache verfeinert. Zugegeben: Nicht immer können Schwedenrätsel sprachlich überzeugen. Wenn nach einem Rätselfreund gefragt wird, dann ist das Lösungswort „Rater“ nicht ganz zutreffend. Es geht nicht ums Raten, sondern ums Wissen – und man lernt beim Rätseln viel dazu. Etwa über Geschichte und Religion. Inzwischen weiß ich beispielweise, dass Nero ein römischer Kaiser war. Nicht sicher bin ich mir allerdings, ob Nero der einzige römische Kaiser war, denn andere tauchen in meinem Rätselheft nicht auf. Überdies habe ich erfahren, dass Babylon nicht nur eine antike Stadt am Euphrat, sondern auch ein biblischer Ort war, an dem bereits damals das Bauen in die Höhe nicht allseits auf Zustimmung stieß.

Trotz des unverkennbaren Wissenszuwachses wird die Lage zuhause jedoch allmählich kritisch. „Weißt Du, was noch spießiger ist als Kreuzworträtsel?“, fragte mich meine Liebste vor kurzem. „Nein, meine schöne Helena, Ehefrau des Menelaos?“, antwortete ich, im Rätsel versunken. „Kreuzworträtsel in Großschrift“, erklärte Hanna mit einem abschätzigen Blick auf das Mega-Kreuzworträtselheft mit über 300 Rätsel in altersgerechter Schriftgröße, dass ich gerade erst, Sie werden es kaum glauben, für nur fünf Euro erstanden habe. Irritiert blickte ich sie über die Ränder meiner Lesebrille an. Solche Kommentare geben mir nun doch zu denken. Ich befürchte es wird Zeit, dass ich meinen germanischen Wurfspeer „Ger“, den alle Rätselkundigen in ihrem Arsenal haben, heraushole, nur für den Fall, dass ein junger Paris auftaucht. Eine Überfahrt nach Troja mit Krieg unmittelbar nach Ankunft kann ich mir in meinem Alter nicht mehr leisten.

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